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Der kleine Grasbrook

Spätestens seit im Jahre 2015 die geplante Olympia Bewerbung Hamburgs  mit knapper Mehrheit abgelehnt wurde, machte der Kleine Grasbrook auf sich aufmerksam.

 

Für mich war dies eine Gegend „irgendwo südlich der Elbe“ mit nicht weiter definierten  Hafen- und Industrieanlagen. Durch die neuesten Bebauungspläne ist diese Gegend nun wieder in mein Interesse gerutscht: Wo befindet sich der Kleine Grasbrook eigentlich genau? Gibt es auch einen Großen Grasbrook? Wie sieht es dort jetzt (noch) aus? Wenn Euch diese Fragen auch bewegen, kommt mit auf meine Entdeckungstour zum Kleinen Grasbrook!

Quelle.:Von Autor unbekannt - http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/senat/rathaus/ausstellungen/hammaburg/stadtentwicklung/, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=977730
Quelle.:Von Autor unbekannt - http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/senat/rathaus/ausstellungen/hammaburg/stadtentwicklung/, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=977730

Ein kurzer historischer Abriss des (Kleinen) Grasbrooks:

 

Vor langer Zeit, als Hamburg noch klein war und es Seeräuber gab, bestand der Grasbrook aus einer Inselanhäufung vor den Toren Hamburgs. Hier wurden die Kühe geweidet und mussten bei Hochwasser in Sicherheit gebracht werden. Der Legende nach wurde hier im 15. Jahrhundert auch Klaus Störtebeker mit 72 Mitstreitern enthauptet.

 

Die Karte oben zeigt den Grasbrook um 1660. Der „Neue Graben“ zwischen den beiden Inseln „Grasbruch“ zeigt den Verlauf der heutigen Norderelbe an. Vor diesem Durchstich gab es nur einen Grasbrook.

 

Mit dem Neuen Graben gab es fortan einen Großen Grasbrook  (heute Bereich Hafencity, Kehrwieder, Wandrahm), der in die Stadtmauern mit einbezogen wurde und einen Kleinen Grasbrook (südlich der Norderelbe) mit mehreren Inseln, der schlappe 200 Jahre später schon zum Hafenerweiterungsgebiet bestimmt und eingemeindet wurde.

 

In meiner Recherche, wo genau die Grenzen des heutigen Kleinen Grasbrooks verlaufen, erhalte ich erstaunlicherweise  unterschiedliche Ergebnisse.

Quelle:Von Flor!an - Eigenes Werk, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=63988214
Quelle:Von Flor!an - Eigenes Werk, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=63988214

 

Um die Verwirrung komplett zu machen, soll das neue Stadtviertel den alten allgemeinen Namen  „Grasbrook“  tragen (s. Karte). Wie der Rest des jetzigen kleinen Grasbrooks dann benannt wird, entzieht sich meiner Kenntnis.

 

 

Hier wird nun also in den nächsten Jahren ein weiteres Stadtviertel mit Neubebauung entstehen. Die ersten Planungen laufen.

 

Ich bin neugierig, was dort und auch auf den anderen Grasbrookinseln zu finden ist und begebe mich auf Spurensuche.

Mein Weg führt mich von der neuen U-Bahn Haltestelle Elbbrücken über die Norderelbe Richtung Kleiner Grasbrook. Hamburg zeigt sich von seiner typischen Seite: Kalt, windig, Regenschauer wechseln sich mit wenigen Sonnenblicken ab.

 

Auf der Freihafenbrücke halte ich kurz inne und betrachte  das Bautreiben am Baakenhafen und Elbbrückenquartier rechts und den schlafenden Grasbrook links.

Auf der nördlichsten Insel des Kleinen Grasbrooks, der zukünftig komplett neu bebaut werden soll (Schuhmacherwerder) fahre ich eine einsame Straße an der Norderelbe entlang. Es ist im übrigen der einzige öffentliche Weg, legal die Insel zu erkunden. Der Rest im südlichen Bereich lockt mein Fotografenauge- verwildert- verwunschen aber leider bewacht und mit Schranken versehen. Als „Lost Place“ fristet es sein Dasein. Ich treffe auf zwei Angler, die dick eingemummelt auf Flunderfang sind. Bislang hatten sie noch kein Glück, aber der Tag ist ja noch jung und der Spot soll erträglich sein.

Auf meinem weiteren Weg zur nächsten Insel blitzt zwischen den alten Lagerhallen des Überseezentrums die Elphi hervor.

Dieses Zentrum der HHLA wurde 2016 wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit aufgegeben.

Hier, auf der zweiten Insel zwischen Moldau- und Hansahafen  soll nur der nördliche Teil bebaut werden. Leider für mich nicht zugänglich. Schranken, Videoüberwachung und (Zoll?-) Stationen schirmen den Oswaldkai vor neugierigen Bürgern ab. Die Insel ist fest in der Hand der HHLA und Edeka Fruchtkontor.

Die einzig öffentliche Straße, die ich entlang fahren kann, ist die Dessauer Straße. In der Woche donnern hier die LKWs mit und ohne Fracht das Kopfsteinpflaster entlang. Alte Schienen der Hamburger Hafenbahn durchkreuzen die Straßen-  zugewuchert  zwischen Müll und Natur, die sich ihren Platz wieder zurück erobert.

Ein altes großes Backsteinhaus, welches sich die Dessauer Straße entlang streckt, erweckt mein Interesse. Ein blaues Schild, welches auf ein Denkmal hindeutet, ist am Haus angebracht. Es handelt sich um das Lagerhaus G, ein Bodenspeicher von 1903, in dem Ende des 2. Weltkrieges Zwangsarbeiter aus dem KZ Neuengamme für Aufräumarbeiten im Hafen untergebracht wurden.

 

Wer zu diesem besonderen, geschichtsträchtigen Ort mehr erfahren möchte , schaue hier zu Wikipedia:

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Lagerhaus_G

 

Vor dem Haus parken LKWs und alte Autos, überwiegend ohne Kennzeichen. Sie sollen- so erfahre ich- exportiert werden. Eine sehr skurrile Atmosphäre ist das hier.

 

Die Imbisstube  „Zum lütten Foffteiner“ Vis-a-Vis des Lagerhauses G hat leider geschlossen, schade!

Ich hätte bei dem Wetter gut einen heißen Tee gebrauchen können und hätte gerne mit der (lt. Bewertungen) netten Betreiberin einen Schnack gehalten. Nächstes Mal!

 

Ein kleiner Blick noch von der Brücke des Veddeler Damms über zur Wasserseite des Lagerhauses G und dann geht’s weiter zur nächsten- durch das Hafenmuseum Hamburg- bekannten Insel.

 

Auf dieser Insel zieht mir- selbst bei dem heutigen Wind- ein angenehmer Duft von Tee und Gewürzen in die Nase. Wo die lagern erfahre ich selbst bei Recherche leider nicht.

 

 

Das Hafenmuseum mit MS Bleichen, Viermastbark „Peking“ und den alten Hafenkränen lasse ich heute rechts liegen und konzentriere mich lieber auf die unbekannten Ecken.

 

 

 

 

Die Indiastraße fahre ich erfolgslos bis zum Ende, hier ist leider kein Durchkommen. Dafür werde ich an der nächsten Querstraße (Afrikastraße) belohnt: hier kann ich  bis zur Spitze durchfahren  und genieße den weiten Blick auf die Silhouette Hamburgs.  Die Sonne lässt sich blicken und ich kann sogar noch die Reste eines Regenbogens erkennen!

 

 

Ein PKW vom Zoll steht hier mitten im Nirgendwo. Ich grüße und fahre vorbei. Was die hier wohl machen? Fofftein oder Observation? Ich traue mich nicht, zu fragen und fahre zurück und auf die letzte Inselgruppe des Kleinen Grasbrooks.

 

Den Worthdamm Richtung Norden folgend, passiere ich das Fabrikgelände von Shell. Google Maps sagt mir, dass es am nördlichen Ende eine Fähre Richtung Nordufer geben soll. Ich passiere Schlagbäume und wundere mich etwas…..hier sieht es doch ziemlich nach Firmengelände von Sasol Wax aus. Fehlanzeige- eine Aufsicht hat mich anscheinend schon beobachtet und fängt mich ab, bevor ich den Fähranleger erreiche.  Die Fähre fährt nur in der Woche, also wieder zurück….

 

Ich entschließe mich zum alten Elbtunnel zu fahren und dort  auf die nördliche Seite zu wechseln. Auf der Argentinienbrücke erhasche ich noch einen Blick auf die durch Wolken zweigeteilte Elphi

 

Der südliche Spot am alten Elbtunnel erfreut sich heute- trotz schlechten Wetters- größter Beliebtheit. Schnell noch ein paar Fotos und ab geht’s mit dem Autofahrstuhl in den Tunnel. Unvorstellbar, dass ich hier vor ein paar Jahren noch mit dem Auto hindurch gefahren bin. Die Straßenbreite ließe heute vermutlich nur noch einen Bruchteil der aktuellen Autos zu. Ich freue mich an den Fahrstuhlwärtern,  die  wie früher ihre Uniform mit der weißen Mütze aufhaben und fühle mich in meine Kindheit zurück versetzt.

 

Zum Nachverfolgen: Meine gefahrene Route
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